Wohin ich schaue, wen ich auch frage und fast egal was ich lese: Das Scheitern von Change-Projekten gehört quasi zum guten Ton im Business. Das bedeutet, dass Veränderungen nicht nur unbequem und ungeliebt sind, sondern meistens sowieso nicht gelingen, was ja wieder den Zauderern in die Hände spielt.
Von daher wäre es im Grunde einfacher, wenn wir uns darauf verständigen könnten, dass wir alles beim Alten belassen und ab sofort keine Veränderungen mehr vornehmen: Stillstand statt Change!
Stellen Sie sich vor, welche Stabilität wir augenblicklich in unsere Wirtschaft bringen könnten! Die Kosteneinsparungen durch den Verzicht auf Veränderungsmaßnahmen und kostspielige Imagekampagnen brächten uns neuen Wohlstand.
Ohne den Druck innerhalb einer bestimmten Frist alles auf den Kopf zu stellen zu müssen, könnten wir uns in aller Ruhe anschauen, was wir eigentlich haben und womit wir nun immerhin für alle Zeit leben könnten.
Wir würden uns in unserer Komfortzone räkeln.
Der Traum vom sorgenfreien Leben.
Wahrscheinlich würden wir dann mit dem Träumen beginnen: Von Prozessen, die reibungslos funktionieren und fantastischen Möglichen, die wir in neuen Märkten mit neuen Produkten und Kunden hätten…
Vielleicht würde sich eine kleine Rotte bilden: Menschen, die heimlich ihre wahnsinnigen Ideen wie verbotene Schmuggelware austauschten. Eine im Untergrund agierende Bewegung würde den vorhandenen Stillstand als Freiheitsentzug entlarven und zum neuen Feindbild erklären. Aufstände wären nur der nächste kleine Schritt.
Wir bräuchten eine Lösung, wie wir uns aus dem Joch der Unterdrückung durch den Status Quo befreien könnten. In Kundgebungen würden Thesen proklamiert, Mindestforderungen gestellt und Versprechen gegeben. In einer beispiellosen Kraftanstrengung würden wir uns gemeinsam stark machen für eine unmittelbare Umsetzung unserer Forderungen.
Eine Revolution gegen den Stillstand.
Die Abschaffung maroder Strukturen würde gemeinsam in einem Triumphzug gefeiert. Neue, einfache und transparente Prozesse, begehrenswerte, nie dagewesene Produkte und Dienstleistungen würden umgesetzt und ein neues Zeitalter bräche an.
Wenn man uns nur ließe, dann könnten wir erst den Status Quo zelebrieren, um ihn anschließend mit wildem Geheul einzureißen. Das wäre allemal besser als eine Change-Offensive. Meinen Sie nicht?
Herzlichst Verena Czerny
Möchten Sie auch in Zukunft keinen neuen Beitrag bei Clever Change verpassen?
Vielen Dank, Herr Müller, für Ihr Bild vom Eselskarren. Das ist wirklich die Kunst: Erkennen, wann und wo Veränderung sinnvoll ist, und wann es auch mal einfach so gut ist, wie es ist.
Das Thema gefällt mir.
Im Grunde ist es ganz einfach: Wenn ich nicht endlich die Straße
repariere auf der ich fahren will, brauch ich auch keine riesigen
Budgest in mein Hightech-Luxus-Auto zu stecken …. und kann gemütlich
auf meinem Eselskarren weiter schlafen.
Ob nun Change Projekte oder andere Projekte – viele Unternehmen
vertrauen leider NUR auf solche Projekte. Durch die Besinnung auf die
Basics im Geschäft und vor allem im Miteinander könnten Unternehmen
viiiieeel Geld sparen und trotzdem wachsen.
Vorwärts mit back to the roots – ich bin dabei.
Thomas Müller
Vielen Dank, Herr Müller, für Ihr Bild vom Eselskarren. Das ist tatsächlich
die Kunst: Erkennen, wann und wo Veränderung sinnvoll ist, und wann es
auch mal einfach so gut ist, wie es ist.
Sehr geehrte Frau Czerny,
es ist für mich nicht leicht herauszulesen, ob
Ihre Kolumne tatsächlich ein Aufruf zum Stillstand verfolgt, im Sinne
einer Aufforderung, den Change-Mainstream aus einer gewissen
sachdienlichen Distanz heraus zu betrachten. Oder ist Ihr Beitrag als
eine Art Ironie zu lesen, die sich kritisch mit „Zauderern und
Change-Rebellen“ auseinandersetzt? Ihren Beitrag empfinde ich, neben dem
Thema selbst, auch wegen eben dieser beiden möglichen Lesearten als
sehr interessant. Vielen Dank dafür.
Zum Thema Change möchte ich gern folgendes
ergänzen: Jean-Paul Sartré sagte vor vielen Jahren sinngemäß, dass
diejenigen, die innerhalb eines Systems etwas erreichen wollen, nur zu
dessen Konservierung beitragen. Oder anders ausgedrückt: Ein System ist
niemals mit den Mitteln zu verändern, die es selbst zur Verfügung
stellt. >Karriereorientierteversorgendenkarriereorientierten FührungskräfteKooperation & Vernetzung< zu
gewährleisten… Man klammert sich an den Status quo, "wie der Ertrinkende ans Senkblei…" (in Anlehnung an ein Zitat von Hagen Rether)
Doch wie sind Denkalternativen zu diskutieren, wenn diese die verantwortlichen Entscheidungsträger in Existenzängste versetzen, Widerstände hervorrufen und somit den Status quo zunehmend stabilisieren?
Ihr Vorschlag, "erst den Status Quo [zu] zelebrieren, um ihn anschließend mit wildem Geheul einzureißen." ist nicht von der Hand zu weisen: Die ironische Überzeichnung der stabilisierenden Funktionen und Arrangements des Status quo führt ihn selbst ad absurdum. Wie könnte das Ihrer Meinung nach aussehen, nur als Gedankenexperiment gedacht?
Beste Grüße
Dr. Martin Wagner
Sie stellen mir eine schwierige Frage, lieber Dr. Wagner, und ich danke
Ihnen für Ihre ausfühlichen und differenzierenden Gedanken zum Thema
Change. Die Angst vor Verlusten macht es uns so unglaublich schwer
Veränderung zu wagen. Hierzu empfehle ich Ihnen gerne meinen Artikel zu
Nobelpreisträger Kanemanns Werk „Schnelles Denken, langsames Denken“.
http://www.clever-change.de/unterstuetzer-fuer-veraenderungen-gewinnen/
Worauf ich mit meinem letzten Satz hinaus will? Ich versuche damit
unsere Ambivalenz gegenüber Change auszudrücken: Wir fürchten
Veränderung und zugleich ersticken wir im Stillstand. Change kann
gelingen, wenn er aus dem „Bauch des Unternehmens“ heraus gebraucht und gewollt wird.
Herzlichst Verena Czerny